In der Behandlung des Fibromyalgiesyndroms nimmt die Hyperthermie zentralen Platz ein
Die als Fibromyalgiesyndrom (kurz FMS) bekannte chronische Erkrankung gilt als die zweithäufigste von Rheumatologen beobachtete Symptomatik und gleichzeitig als bislang am schlechtesten definiert und erforschte. Entwickelt wurde das Konzept Fibromyalgiesyndrom in der Rheumatologie - als Abgrenzung zu nachweislich entzündeten rheumatischen Formen.
Der Begriff „Fibromyalgie“ wurde 1981 erstmals von Yunus* verwendet. Die genauen Ursachen des „Fibromyalgiesyndroms“, der heute gebräuchlichen Bezeichnung, konnten bisher nicht eindeutig geklärt werden.
Die Betroffenen klagen über diffuse, generalisierte Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen ohne körperliche Befunde meist in der Nähe von Gelenken und in Muskeln und an den Sehnenansätzen, den so genannten „tender points“. Fast immer ist auch die Wirbelsäule betroffen. Kernsymptome sind neben chronischen Schmerzen Schlafstörungen, körperliche sowie geistige Erschöpfung, bis hin zur Depression. Das Fibromyalgiesyndrom beeinflusst fast alle Aspekte des Lebens mit hoher Wirkung auf die Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und Produktivität.
Noch bis vor wenigen Jahren galt das Fibromyalgiesyndrom als „eingebildete“ Krankheit, als rein psychisch erklärbarer Schmerzzustand. Heute wird das Fibromyalgiesyndrom als funktionelles somatisches Syndrom klassifiziert, bestehend aus einer veränderten zentrale Schmerzverarbeitung, der Veränderungen zentralnervöser Neurotransmitter, der Dysfunktion des sympathischen Nervensystems und eine Kleinfaserpathologie. In der Diagnose spielen psychische Faktoren weiterhin eine Rolle beim Ausbruch der Krankheit, allerdings nur begleitend. 80 Prozent aller Betroffenen sind Frauen, 50 Prozent der Patienten weisen zusätzlich Symptome einer Small-fiber-Polyneuropathie auf.
Die Diagnose
Aufgrund der weitgefächerten Symptome bedeuten die Diagnose und die Behandlung für Arzt und Patienten eine Herausforderung. In einer ausführlichen Anamnese werden zunächst die Haupteinflüsse, die zur Ausbildung eines Ganzkörperschmerzes geführt haben, herausgearbeitet. Kommt es zur Diagnose Fibromyalgiesyndrom, so ist diese in den meisten Fällen eine lebenslange und lebensbegleitende.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Komplexität der Erkrankung erfordert einen multimodalen Ansatz der Therapie. Trotz einer Reihe von assoziierten Medikamenten hat sich bis heute keine allgemein empfohlene medikamentöse Standardtherapie herausgebildet, nur bei 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom zeigt die medikamentöse Behandlung positive Effekte. Stattdessen haben sich bewährt:
Bewegungstherapie, beispielsweise Krafttraining und Ausdauersport, Umstellung auf einen gesunden Lebensstil mit entsprechender Ernährungsweise und psychotherapeutische Begleitung. Die Patienten lernen, aktiven Einfluss auf ihren Schmerz zu nehmen und achtsame Bewegungsformen (auch Meditation, Yoga) zu etablieren. Zusätzlich wird in der Behandlung des Syndroms in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg auf komplementäre, naturheilkundliche und integrative Therapieformen gesetzt. Aktuell steht die Ganzkörperhyperthermie mit Wasser-gefilterter Infrarot-A-Strahlung im Mittelpunkt aktueller Studien zur Wirksamkeit in der Therapie des Fibromyalgie-Syndroms**
Die Symptome
Diffuse Ganzkörperschmerzen
Erhöhte Druckschmerzempfindlichkeit, Spannungskopfschmerz, Migräne
Durchschlafstörungen
vermindertes Leistungsvermögen, schnelle Erschöpfung, Müdigkeit
orthostatische Hypotonie
Magenempfindlichkeit
Darmbeschwerden Harnwegsbeschwerden, Unterbauchschmerzen
Herzrasen
Restlesslegs-Syndrom
Sehstörungen
Hörstörungen (Geräuschempfindlichkeit, Tinnitus)
verminderte Belastbarkeit gegenüber Stress und Außenreizen
Gedächtnisstörung, Denkstörung, Konzentrationsstörung
Angst, depressive Verstimmung
Kälteempfindlichkeit, Frösteln, gelegentlich Schwitzen
starke Wetterfühligkeit
Ganzkörperhyperthermie bei Fibromyalgie
Die Ganzkörperhyperthermie ist in der Behandlung unterschiedlichster leichter und schwerer Krankheitsbilder eine inzwischen fest etablierte und erfolgreiche Therapieform. In der Wissenschaft dagegen noch immer eine kaum evaluierte Therapiemöglichkeit. Erfreulicherweise erscheinen in den vergangenen Jahren verstärkt Studien zum Thema Hyperthermie - auch bei bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom. Denn hier kann Hyperthermie - die künstlich erzeugte Temperaturerhöhung - eine nachhaltige Schmerzreduktion bewirken.
Unerwünschte Nebenwirkungen werden bei dieser Methode kaum oder gar nicht beobachtet.
Neben einer schmerzlindernden zeigt die Behandlung mit Hyperthermie auch eine antidepressive Wirkung, die immunologische und neuroendokrine Reize setzt. Zudem können Patienten nach ersten Hyperthermie-Behandlungen eine verbesserte Zuordnung und Lokalisation der Schmerzen vornehmen, was die zukünftige Behandlung erleichtert.
Konkret bewirkt die Ganzkörperhyperthermie eine arterielle Hyperämie (eine deutliche Erhöhung der Durchblutung von Körperregionen) mit Stoffwechselsteigerung (gesteigerter Transport von Sauerstoff, Nährstoffen, Antikörper, Phagozytose, Abtransport von Metaboliten).
Durch länger andauernde Wärmewirkung wird Schmerzlinderung und Muskeldetonisierung (Entspannung) erzielt und damit verbessert sich die Dehnfähigkeit von Bindegewebsstrukturen mit Zunahme der Mobilität. Das Hormonsystem und Immunsystem des Patienten wird angeregt, es kommt zu histologischen Veränderungen an den lymphatischen Organen.
Seit der aktualisierten „S3-Leitlinie zur Fibromyalgie“*** aus dem im Jahr 2008 sind naturheilkundliche und komplementäre Therapieverfahren aus der Behandlung des Fibromyalgiesyndrom nicht mehr wegzudenken. Tatsächlich kommen diese bei bis zu 98 Prozent zu Anwendung.
Die Ursachen der Fibromyalgie
80 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Oftmals leben sie schmerzbedingt sehr zurückgezogen, bewegungsarm und gegebenenfalls übergewichtig.
In der aktualisierten Leitlinie gelten körperliche Misshandlung und sexueller Missbrauch in Kindheit und Erwachsenenalter sowie Depressivität und Faktoren des Lebensstils in Form von rauchen, Übergewicht und mangelnder körperlicher Aktivität als akzeptierte assoziierte Faktoren. Auch genetische Dispositionen werden diskutiert. Allerdings gelten psychosoziale Stressoren in beruflichen oder familiären Konstellationen sowie Erfahrungen mit Gewalt oder Missbrauch in Kindheit und Jugend als hauptursächliche Faktoren.
*Yunus MB, Masi AT, Kalabro JJ, Miller KA, Feigenbaum SL (1981) Primary fibromyalgie: clinical study of 50 patients with matched controls. Semin Arthritis Rheum 11: 151–171
** Siehe auch: A randomized controlled trial on the effectiveness of mild water-filtered near infrared whole-body hyperthermia as an adjunct to a standard multimodal rehabilitation in the treatment of fibromyalgia.
Treatment of Fibromyalgia by Whole-body Hyperthermia. Randomized Controlled Trial von: Thomas Brockow, Andreas Wagner, Annegret Franke, Martin Offenbächer, Karl L Resch: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17277647/
*** Das Fibromyalgiesyndrom – aktualisierte S3-Leitlinie. Fibromyalgia Syndrome – Updated S3 Guideline. T. Dreher , W. Häuser , M. Schiltenwolf. Time Verlag 2007.
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